Dienstag, August 22, 2006

First day @ Law School

Heute war es also soweit – mein erster Tag an der Law School. Aber zuerst ein „kurzer“ Nachtrag zu meiner Anreise…

Nach noch fast endlos erscheinender Hin- und Herpackerei am Freitagabend und viel zu wenig Schlaf ging es um 5 Uhr am Flughafen Stuttgart (STR) – mit 2,5 Kilo Übergewicht, ein bewusst - wenn auch falsch – kalkuliertes Risiko wie sich später zeigen sollte. BA Schalter gesucht, gefunden und angestellt. Nach den Terrorpiloten von London musste man ja 2 Stunden für Sicherheitscheck einplanen ... nach allen Berichten habe ich mit viel gerechnet in London. Dass aber gerade Stuttgart zu meinem Verhängnis werden sollte, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Da stand ich also in der Schlange mit viel Geduld, ließ meinen Koffer durchleuchten, ließ den Sicherheitsbeamten darin herumkramen und stand endlich am Check-In Schalter … vor einer völlig frustrierten, unmotivierten, schlecht Gelaunten BA Mitarbeiterin. Koffer auf die Wage – 34,5 Kilo. „Sie haben 2,5 Kilo übergewicht – das müssen Sie auspacken“. Schlucken, räuspern, und die nahe liegende Frage: „Können Sie nicht ein Auge zudrücken?“. Aber nur Granit. Immerhin gabs sogar einen Plastikbeutel von BA in den ich dann umräumen durfte. Nach ein paar Minuten stand der Koffer wieder auf der Wage, auf deren Display diesmal 32 leuchtete, allerdings mit einer ,6 dahinter. Ein schüchterner Blick und wieder die vorsichtige Frage: „Gehen 32,6?“, die mit einem „Haben sie mich nicht verstanden? 32 Kilo und kein Gramm mehr…“ abgeschmettert wurde. Nach meinem „ich kann auch nichts dafür wenn Sie schlecht gelaunt sind“ war’s dann endgültig vorbei mit unserer Mitarbeiter-Kunde-Beziehung und ich wurde zur Kollegin geschickt. Anstellen hinten an der Schlange versteht sich! Doch auch die zeigte sich nicht anders geeicht, allerdings die Waage. So wurden aus meinen 32,6 Kilo ganz schnell 33,1 Kilo. Verhandeln völlig vergebens, 32 Kilo auf das Gramm strikt nach Vorschrift. That makes sense … von Einzelfallgerechtigkeit haben die auch noch nichts gehört, vor allem da ich ja 2 mal 32 Kilo hätte mitnehmen dürfen. Als ich mich dann mit den richtigen Gewichtszahlen von meinem Gepäck verabschiedet habe, geschah das mit einem komischen Gefühl im Bauch … zurecht wie sich später herausstellen sollte. Weiter gings zum Gate – Dank der glorreichen Aktion nur noch 15 Minuten bis Abflug. Froh über meinem Fensterplatz saß ich also keine 5 Minuten als die Durchsage kam „Flight to London Heathrow ready to boarding“ – aber das war nicht alles: „Simon Schönleber to the information desk please“. Und wer erwartete mich dort? Ja – meine Freundin vom ersten Check-In Counter, die meinen Boarding Pass sehen wollte. Genommen, gesehen, zerissen. Und dann gabs nen neuen. Am Gang versteht sich. Alles klar… hoffe nur ihr Chef bekommt meinem Evaluationsbogen zu sehen, den ich später auf dem Flug ausgefüllt habe. London war zu meiner Überraschung eher harmlos. Einmal durch die Sicherheitskontrollen, vorbei an Säcken mit Haargel, Getränkeflaschen und Sonnencremes, mit dem Bus ins Terminal 4 und ab in den Flieger nach Chicago. Essen war okay (es gab sogar Wein), hab mir die Zeit mit 2x Over the Hedge und Ice Age 2 vertrieben und nach 12 Uhr Ortszeit konnte ich meinen ersten Schritt auf Chicagoer Boden setzen. Durch die Immigration und zum Bagage Claim. Und dann wartete ich … und wartete ich … und wartete ich … und dann … dann war da mein grüner Koffer. Fehlte nur noch die Overweight bag. Ja, und die fehlte wirklich, und zwar endgültig. Gut dass BA schon eine Dame abgestellt hat die ne Liste mit Gepäck führt „which didn’t make it on the flight for various reasons … Heathrow is crazy“. Durch den Zoll, zum Lost Bagage Counter um meinen Verlust zu melden, was mich wieder eine Stunde gekostet hat. Klar kann man jetzt sagen: hättest du halt gleich nur 32 Kilo gepackt, das wusstest du ja. Okay, stimmt ja, aber bei 64 Kilo Gesamtvolumen rechnet man echt nicht mit so viel Kleinlichkeit. Und spätestens, wenn man von ungleichgeeichten Waagen erfährt, geht wohl das letzte bisschen Verständnis für starre, absolute Gewichtsgrenzen verloren. Aber oh well. Es ist wie es ist. Mit der El gings dann in die Stadt – Blue Line, Red Line, ein Walk um den Block (vielen Dank an die Mitarbeiter von Blockbuster für die genaue Wegbeschreibung) und dann stand ich endlich vor Canterbury Apartments. Angemeldet, erste Miete bezahlt und erstmal aufs Zimmer. Ich residiere im 8. Stock, #804, Richtung Westen was die ruhige Seite ist. Da Marieke mir schon die Basics besorgt hatte blieb mir auch ne Menge Stress am ersten Abend erspart Bettwäsche und den ganzen Haushaltskram zu besorgen. Abends gings noch auf nen Praktikantengeburtstag 2 Stockwerke über mir, wo ichs allerdings nicht lange aushielt, der Rotwein hat zusammen mit dem Jetleg eine fatale Wirkung entfaltet … zumindest war der Tiefschlaf damit gesichert! ;)

Sonntag gings auf Stadterkundung, und Chicago ist doch recht klein. Jedenfalls so klein, dass ich völlig zufällig ohne Verabredung Benedikt auf West Adams Street mit seinem Dad und Bruder getroffen habe! ;) Bene ist der zweite Law Schooler der die nächsten 4 Monate in Chicago verbringen wird! Ansonsten gings einmal quer durch Downtown und in ein paar Geschäfte (Sonntags shoppen hat schon was). Durch einen weiteren Zufall habe ich Richard kennen gelernt, als ich in einen Shoestore gestolpert bin. Die hatten ziemlich coole Schuhe von Fender, die eigentlich 65$ gekostet haben. Nach ein bisschen Smalltalk und zögern hat er Sie mir für 50$ gegeben, mit dem Angebot mal wieder vorbei zu schauen um mir ein paar Tipps für die Stadt zu geben wenn ich „ready“ bin. Chicago ist eine fantastische Stadt. Meine Nummer 1 in den USA – und das sage ich mit dem Wissen bisher nur 2 Tage hier verbracht zu haben. The Second City hat einfach alles. Eine Skyline die’s zwar nicht mit New York aufnehmen kann, aber allein durch die abwechslungsreiche Architektur beeindruckt so sehr, dass man darauf gerne verzichtet. Außerdem gibt es hier Space – man kann Atmen ohne das Gefühl zu haben, erdrückt zu werden. Durch die Stadt zieht sich der Chicago River, der zusammen mit den wunderschönen Sandstränden am Lake Michigan eine Maritime Atmosphäre aufkommen lässt die an Boston erinnert. Chicago ist sophisticated in der sympathischen Form des Understatements. Kultur wirkt hier natürlich und zu keinem Zeitpunkt abgehoben. Neben einem Theater steht eine Bar, neben der ein Fastfood Restaurant steht. Neben dem Porsche fährt alter Ford, durch die Straßenschluchten donnern Harleys. Von den Hochhäusern weht der Star Spangled Banner und alles wirkt so selbstverständlich. Als ob die Menschen sagen „yeah boy – this all is America“. Die Menschen sind freundlich – mit einer Karte in der Hand steht man nicht lange allein bis man hört „you need direction?“. Und wer jetzt noch überzeugt werden muss, geht in eine Piano Bar oder lässt sich einfach in einer El Station von den Riffs eines Bluesgitarristen verzaubern. This is my city … Den Nachmittag habe ich am Oak Beach 8 Minuten von meinem Apartment verbracht wo das Wochenende über eine Air Show statt fand. Kunstflieger, Fallschirmspringer und Militärjets zeigten was sie können. Besonders beeindruckend: die Blue Angels – Elitepiloten der US NAVY. Wahnsinn was die für Manöver geflogen sind. Zum Abendessen gabs dann einen Chicken Burrito von Chipottle direkt an der Ecke. 7$ und so groß dass noch die Hälfte im Kühlschrank liegt!

Nach diesem kurzen Bogen ein paar Worte zum heutigen Tag. Das Chicago Kent College liegt Mitten Downtown an der Ecke Clinton / West Adams Street. 8:15 gings schon los – dank Jetleg ist frühaufstehen im Moment kein Thema, kein Wunder also dass ich als erster meine Unterlagen am Information Desk abgeholt habe. Zweiter war dann Bene, und die ersten LLM Studentin die wir kennenlernten war Özlem. Eine Deutsche die allerdings schon ein halbes Jahr in Chicago ist und bisher ein Praktikum bei einer Law Firm gemacht hat. Sitzt hier wg. ihres Freundes, hat aber wohl noch nicht so den Plan wie das bei ihr weitergehen soll. Beruflich konnte sie jedenfalls noch nicht richtig Fuß fassen (kein Wunder wenn man nur deutsches Recht gemacht hat), und auch noch nicht weiß ob Sie den LLM Kurs sicher mitmacht. Als nächstes vielen mir 4 weitere Verdächtige auf, die irgendwie Deutsch aussahen. Und ich lag nicht falsch – die Augsburger. 2 bleiben ein ganzes Jahr, 2 ein halbes mit der Option auf Verlängerung. David, Manuel, Henning und Flo. Sehr nette und lustige Jungs. Dann gings erstmal zu offiziellen Begrüßungen und zu einer 2stündigen Mock Trial Verhandlung. Unsere erste Action war dann in Jury Gruppen von 30 zu einem Urteil zu kommen. War echt interessant, aber man merkte einen krassen Unterschied ob Mitglieder juristisch vorgebildet waren oder nicht. Würde mir als Angeklagter deshalb ernsthafte Gedanken machen, ob das denn wirklich so sinnvoll ist, mein Schicksal in deren Hände zu legen. Lunch gabs dann für alle LLMs zusammen und erste Formalien zu klären. Wir sind Schätzungsweise 75 LLM Studenten, davon 2/3 Chinesen. Das andere Drittel sind Deutsche, Franzosen, Norweger, Dänen, eine Polin und ein Japaner. Ein Glück dass die alle echt nett und sympathisch sind … naja die Franzosen „glucken“ ziemlich – aber vielleicht kriegen die ja noch die Kurve. Der Japaner ist bestimmt Ende 30, schon Jurist und arbeitet nebenher auch in Chicago – Katatoshi oder so ähnlich … „call me Toshi“ … ‚Cat’ wollte er dann nicht genannt werden. Die Norweger und die Dänin wohnen lustigerweise auch in Canterbury – 1 Stockwerk unter mir. Die sind richtig gut drauf – Nordvolk halt. Glaube mit denen werde ich noch viel Spaß haben. Heute waren wir erstmal im „Elephant & Tower“ wo wir schon regelrecht bei Bier und Burger versackt sind… in Canterbury zu wohnen bin ich echt froh. Zwar ists ein Stück zur Law School (15 Min. Bus / 25 Min. Bahn), aber die Lage ist unschlagbar. Mitten im Bar und Kneipenviertel lässt sichs halt echt gut leben! Meine Tasche hat BA leider immer noch nicht ausgeliefert. Über die offene wlan Verbindung von meinem Nachbar hab ich aber heute mal ne Beschwerdemail geschickt. Zwar ist der Status „arrived at airport – delivery will be arranged“, aber die sollen das mal lieber auf „delivered“ ändern! ;) Tja, und weil es morgen schon wieder um 9 Uhr weiter geht, werd ich jetzt mal Schlus machen (falls überhaupt jemand so weit gelesen hat) …